Der sixtinische Himmel

Der sixtinische Himmel

by Julian Staratschek -
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1. Der sixtinische Himmel, Leon Morell, S. Fischer Verlag, 576 Seiten

2. Italien, Anfang des 16. Jahrhunderts. Der junge Aurelio kommt nach Rom, um dort beim größten Bildhauer seiner Zeit in die Lehre zu gehen: Michelangelo Buonarroti. Gerade hat der Papst diesen gegen seinen Willen mit einem Deckenfresko für die Sixtinische Kapelle beauftragt. Missmutig macht sich der Künstler ans Werk. Nachts jedoch erschafft er aus weißem Marmor das Bildnis der Frau, die keiner jemals sehen darf: die Kurtisane des Papstes. Aurelio verliebt sich unsterblich in die geheimnisvolle Schöne. Doch seine Liebe wird nicht nur ihm zum Verhängnis...

Leon Morell entwirft ein detailliertes und farbenfrohes Bild des Rom der Renaissance. Eingebettet in die am Vatikan üblichen Geschichten von Liebe, Intrige und Verrat wird die komplexe Arbeit am Deckenfresko der sixtinischen Kapelle beschrieben. Die Bildung der Künstlergruppe rund um Michelangelo, die Arbeit in der Werkstatt sowie die Techniken der Freskenmalerei und der Farbmischung werden eindrucksvoll und lebendig beschrieben. Es gelingt Morell quasi, den Leser mit auf das Gerüst zu nehmen und plötzlich meint man, neben Michelangelo auf den Gerüsten unter der Decke  zu liegen und die Entwicklung des Gesamtgemäldes in seiner Entstehung und dem ständigen Wandel im Prozess, mit allen Problemen und Rückschlägen, mitzuerleben.

3. Als sein Meister die Kammertür aufriss, lag Aurelio unverändert mit dem Gesicht zur Wand, die Hände zwischen den Knien, seine Lider verklebt, die Wangen verkrustet, der Mund ausgetrocknet. Es dauerte geraume Zeit, bis er den ohnmächtigen Schlaf abgeschüttelt hatte und wieder wusste, wo er sich befand - und dass es Michelangelo Buonarroti war, der nun schon um wiederholten Male seinen Namen rief. Beim Aufstehen schmerzen seine Glieder wie nach einem langen Erntetag auf dem Feld.
Michelangelo hatte den provisorisch errichteten Tisch ab- und in der Werkstatt wieder aufgebaut. "Mehr Licht", erklärte er, als Aurelio mit blinzelnden Augen den von der Morgensonne durchfluteten Raum betrat. Der weiße staub, der noch immer den Fußboden bedeckte, glitzerte wie Raureif. "Zieh dir Schuhe an, bevor du hereinkommst", fuhr der Meister fort,"sonst ritzt dir der Marmor die Fußsohlen auf."
Auf dem Tisch lagen ein Brot, ein Stück Käse, ein Messer sowie ein Stapel Zeichnungen, Aurelio wagte sich kaum heran.
Die Decke der Sistina. In zwei Dutzend unterschiedlichen Ausführungen. Die ersten Entwürfe hielten sich noch streng an die Vorgaben des Papstes: die zwölf Apostel vor dem Hintergrund geometrisch verschachtelter Muster. Doch nahmen die Apostel nach und nach übermenschliche Größe an, wuchsen sich zu Göttern aus, veränderten ihre Positionen, teilten sich den Raum jedes Mal neu, traten schließlich sogar miteinander in Beziehung und erzählten eine Geschichte. Danach schien der Vorstellungskraft Michelangelos das Korsett der päpstlichen Vorgaben zu eng geworden zu sein. Räume nahmen Gestalt an, Podeste, Treppen und angedeutete Landschaften waren zu sehen, während für die geometrischen Figuren immer weniger Platz blieb. IN den letzten Entwürfen gesellten sich den Aposteln schließlich weitere Figuren hinzu, nackte, muskulöse Männer, die Säulen schulterten oder Gesimse stützten. Die Arbeit von weniger als sechs Stunden. Entsprungen dem Geist eines einzigen Mannes. er musste brennen, von innen.
Michelangelo hatte Aurelio den Rücken zugewand und betrachtete durch das Fenster den blühenden Feigenbaum hinter dem Haus. Aurelio spürte, dass er auf ein Wort seines Gehilfen wartete.
"Was würde wohl Papst Julius dazu sagen, wenn er wüsste, dass sich in eurer Phantasie nackte Männer im Gewölbe seiner Kapelle tummeln?"
Michelangelo antwortete, ohne sich umzudrehen. "Es werden nur schöne Körper sein, und Julius hat durchaus einen Sinn für Schönheit."

4. Bei einer Italienreise mit Rombesuch und einer exklusiven Führung in der Sistina war dieses Buch im Gepäck. Eine fesselnde Geschichte, welche den Künstler Michelangelo und sein Werk, insbesondere den sixtinischen Himmel, lebendig werden lässt. Ein echter Ferienschmöker und ein Muss für die Romreise.